Florian Badstübner: Die wahren Helden pfeifen im Amateurbereich

Florian Badstübner ist zur neuen Saison in die Riege der Bundesliga-Schiedsrichter aufgestiegen - als einziger Schiri-Neuling in der Saison 2020/2021 . Nach 35 Spielen in der 2. Bundesliga gab der 29-Jährige am vergangenen Wochenende beim 4:0-Sieg von RB Leipzig gegen Schalke 04 sein Debüt im Fußballoberhaus und lieferte eine tadellose Leistung ab. Im Interview mit dem Bayerischen Fußball-Verband (BFV) spricht Badstübner über volle Ränge und leere Stadien, Spieltags-Rituale, seine Karriere-Highlights und seine weiteren Ziele.

 

Zur Saison 2020/21 bist du einer von fünf bayerischen Bundesliga-Schiedsrichtern. Hast du bei deiner Schiedsrichterprüfung 2004 davon geträumt, es einmal ganz nach oben zu schaffen?

Florian Badstübner: Natürlich nicht! Mit 13 Jahren hast du ganz andere Dinge im Kopf. Eigentlich wollte ich nur kostenfrei ins Stadion (lacht). Das hat mich in erster Linie daran gereizt, Schiedsrichter zu werden. Ich bin dann Woche für Woche dabeigeblieben und habe festgestellt, dass dieses Hobby sehr viel Spaß macht. Effektiv genutzt habe ich den Schiedsrichterausweis für Stadionbesuche in den letzten 16 Jahren dann vielleicht auch nur vier bis fünf Mal.


Am vergangegen Wochenende hattest du deinen ersten Einsatz beim Spiel Leipzig gegen Schalke. Was war das für ein Gefühl?


Badstübner: Ab der zweiten Minute konnte ich das Spiel einfach nur genießen. Es hat richtig Spaß gemacht und war völlig entspannt. Natürlich kam mir auch der Spielverlauf entgegen. Die nächsten Spiele können kommen.

 

Wegen der Corona-Pandemie dürfen aktuell deutlich weniger Zuschauer als gewöhnlich in die Stadien – ist das ein Vor- oder Nachteil?


Badstübner: Natürlich wünsche ich mir ein volles Stadion mit einer hitzigen Atmosphäre. Die Fans fehlen einfach und gehören zum Fußball dazu. Um sich an die neue Spielklasse zu gewöhnen, ist es aber vielleicht ein Vorteil, dass die Zuschauerränge zu Beginn der Saison nicht ganz voll sein werden.

 

Spieler, die den Sprung in den Profi-Fußball schaffen wollen, brauchen neben Talent auch viel Fleiß und eine kleine Portion Glück. Wie sieht das im Schiedsrichterbereich aus?

 

Badstübner: Bei uns Schiedsrichtern ist das ähnlich. Wichtig ist, dass man nicht verbissen an seine Spiele herangeht. Neben der professionellen Einstellung braucht man unbedingt auch ein herausragendes Team. Allein schafft man es nicht weit.


Es gibt die unterschiedlichsten Schiedsrichter-Typen: Die Unnahbaren, die sich jede Diskussion verbieten, auf der anderen Seite aber auch solche, die eher auf Dialog setzen. Was muss ein guter Schiedsrichter aus deiner Sicht mitbringen?


Badstübner: Ich persönlich bin ein kommunikativer Schiedsrichter. Jedem Spieler und Funktionär begegne ich mit Respekt. Im Bereich der Zweikampfbewertung lasse ich die Spielführung auf mich zu kommen. Man merkt auf dem Platz sofort, ob man eine kleinlichere Linie fahren muss, oder ob man als Schiedsrichter das Spiel laufen lassen kann. Besonders wichtig ist, dass man authentisch bleibt und sich nicht verstellt. Was ein guter Schiedsrichter mitbringen muss? Essenziell sind die Punkte Konfliktfähigkeit, Ruhe und Selbstbewusstsein. Der Fitnesszustand sollte nie ein Thema sein.

 

Torlinientechnik, Videobeweis, die Technik hat das Spiel auch für Schiedsrichter in den vergangenen Jahren massiv verändert. Momente wie das Wembley-Tor, Maradonas „Hand Gottes“ oder das Phantomtor von Stefan Kießling wird es in Zukunft wohl nicht mehr geben. Kommt dem Fußball da nicht etwas abhanden?


Badstübner: Es ist für alle Beteiligten ein großer Vorteil, dass derartige Fehlentscheidungen nie wieder passieren können. Uns Schiedsrichtern nimmt es viel Druck, es macht den Fußball einfach deutlich gerechter. Wir dürfen auch nicht vergessen: Die Einführung des Video-Assistenten erfolgte auf Wunsch der Vereine.


Was ist „anstrengender“ - Schiedsrichter auf dem Platz oder vor dem Bildschirm?

 

Badstübner: Die körperliche Anstrengung ist auf dem Platz natürlich deutlich höher. Die mentalen Anforderungen sind in beiden Bereichen enorm hoch. Man darf die Aufgabe des Video-Assistenten auf keinen Fall unterschätzen.


Was war das bisherige Highlight deiner Karriere - abgesehen vom Bundesliga-Debüt?


Badstübner: 2. Bundesliga, 1. FC Köln gegen MSV Duisburg, Saison 2018/19, Rhein-Energie-Stadion, Montagabend, Flutlicht, 50.000 Zuschauer. Das war Bundesligastimmung. Am Ende setzte sich Duisburg mit 2:1 durch.

 

Vor allem bei der Nachwuchsgewinnung tut sich der Schiedsrichterbereich schwer. Es gibt zwar viele Neulinge, aber ein Großteil springt nach kurzer Zeit wieder ab. Welchen Tipp hast du für junge Schiedsrichter und warum lohnt es sich, dabei zu bleiben?


Badstübner: Dranbleiben ist wichtig und den Spaß nicht zu verlieren. Man entwickelt seine Persönlichkeit spürbar von Spiel zu Spiel weiter. Es ist nicht nur einfach Fußball, es ist eine Schule für das ganze Leben. Man lernt Konflikte zu lösen, Entscheidungen unter Druck zu fällen und respektvoll mit seinen Mitmenschen umzugehen.

Gab es Momente, in denen du am liebsten die Pfeife an den Nagel gehängt hättest?


Badstübner: Nein.

Der Schiedsrichter wird gerne als Sündenbock auserkoren und muss sich unschöne Dinge an den Kopf werfen lassen. Gibt es da einen Unterschied zwischen Profi- und Amateurfußball? Und wie gehst du damit um, wenn sich das Publikum auf dich einschießt?


Badstübner: Wenn sich das Publikum auf mich einschießt, dann motiviert mich das zusätzlich. Wir werden ja nicht persönlich angegangen, sondern unser Amt als Schiedsrichter. Im Amateurbereich hingegen pfeifen die wahren Helden. Hier kann man die Rufe und Beleidigungen einzelnen Personen genau zuordnen. Das macht die Sache viel schwerer.

Wie kommst du vor dem Spiel in den Fokus? Wie sieht deine Vorbereitung vor Spielen aus?


Badstübner: Ich bereite mich akribisch auf die Einsätze vor. Besonders intensiv studiere ich die Spielzüge und Standartsituationen der Mannschaften. Ich stelle aus den vergangenen Spieltagen Videos zusammen und bereite mich dann mit meinem Team auf die einzelnen Aufgaben vor. Spieltags-Rituale habe ich nicht.


Kannst du dir ein Fußballspiel noch als Fan anschauen, oder kommt immer der Schiedsrichter in dir durch?


Badstübner: Der Schiedsrichter kommt immer durch. Ein Spieler erzielt ein Traumtor aus 30 Metern und ich schaue immer sofort: Wo steht der Schiedsrichter? War der Ballgewinn korrekt? Welchen Einfluss hat dieses Tor auf das gesamte Spiel? Richtig ausflippen vor dem Fernseher funktioniert nicht mehr.


Wann können wir dich auch als Schiedsrichter in der Champions League oder bei Welt- und Europameisterschaften sehen?


Badstübner: Für mich zählt aktuell nur, dass ich in der Bundesliga eine gute erste Saison pfeife. Über internationale Ansetzungen mache ich mir im Moment überhaupt keine Gedanken.

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