Kenny Abieba: "Fehler zugeben - ein Wow-Effekt!"
Im Fußballjargon würde man von einem Durchmarsch von der Landesliga in die Regionalliga sprechen. Als Schiedsrichter ist jener Aufstieg Kenny Abieba in den vergangenen beiden Spieljahren gelungen. Im fussballn.de-Interview der Woche spricht der 24-Jährige über seine erste Saison in Bayerns höchster Spielklasse, warum ihm die Arbeit in seiner Nürnberger Schiri-Gruppe so wichtig ist und wohin sein Weg noch führen kann.
Hallo Kenny, wie war deine Winterpause?
Kenny Abieba: Ich hatte nicht besonders viel Pause, weil die Profivereine nach der WM schon ab Anfang Januar wieder getestet haben. In der Winterpause habe ich die Zeit fürs Videostudium vergangener Spiel genutzt, aber hab auch mal vom Fußball abgeschaltet und viel Wintersport geschaut. Obwohl, bei der Quelle war ich als Aushilfstrainer mit der U13 bei fünf Hallenturnieren und bin ja dort auch noch als Turnierkoordinator aktiv. Als Trainer macht mir die Halle Spaß, als Schiri lasse ich da gerne andere ran.
Wie läuft deine Vorbereitung? Wann und wo geht es für dich als Schiri weiter?
Abieba: Es gibt vom DFB einen Trainingsplan, was eine gute Empfehlung für das eigene Pensum ist. Ich war zweimal bei Spielen der Profis an der Linie und habe vergangene Woche das Testspiel von Ansbach gegen Kornburg gepfiffen. Mein nächstes Spiel ist am 18. Februar zwischen Fürth II und Eichstätt. Das erste Pflichtspiel ist dann eine Woche später, ein Derby der U17-Junioren-Bundesliga beim 1. FC Köln.
Erst kürzlich hat Bundeslia-Schiedsrichter Benjamin Cortus im Rahmen der Kampagne "Ehrensache Sportplatz" darauf hingewiesen, dass die Unparteiischen oftmals nicht als Sportler wahrgenommen werden. Kannst du das bestätigen?
Abieba: Ja, zum Teil ist das schon so! Viele Zuschauer denken wohl, dass man nur zum Pfeifen kommt und es damit erledigt ist. Mein Umfeld weiß aber schon recht genau, was da alles dazu gehört in der Vor- und Nachbereitung.
Wie sieht dein Wochenpensum als Schiri aus?
Abieba: Ich trainiere vier- bis fünfmal jeweils 90 Minuten. Da sind Laufeinheiten dabei, es geht um Athletik und Kraft, ich gehe auch ins Gym, ab und zu trainiere ich beim Fußball mit oder mache andere Sportarten. In der Regel pfeife ich zwei Spiele pro Woche, da kommt noch die An- und Abreise dazu. Außerdem schaue ich mir im Videostudium die Spiele noch komplett an. Also so 12 bis 15 Stunden kommen da schon in der Woche bestimmt zusammen.
Wie bist du als Jugendlicher überhaupt auf die Idee gekommen, dass du selbst Spiele pfeifen willst?
Abieba: Da gab es drei Gründe: Zum einen war der Schiri, der uns gepfiffen hat, wirklich richtig schlecht. Ich wollte zeigen, dass ich das besser kann! Dann spielte auch das Finanzielle als Jugendlicher eine Rolle. Ich habe lieber Jugendspiele gepfiffen als Zeitungen auszutragen. Und hinzu kam natürlich, dass ich Fußballfan durch und durch bin und der freie Eintritt in den Stadien schon auch ein Anreiz war.
Vor sieben Jahren hatten wir ein Portrait über dich verfasst, in dem von den drei Dimensionen als Fußballer, Jugendtrainer und Schiedsrichter zu lesen war. Wann kam der Zeitpunkt, in dem es "eindimensional" wurde?
Abieba: Das war mit meinem Aufstieg als Schiri in die Bayernliga verknüpft. Ich bin dann als Jugendtrainer mehr und mehr ins zweite Glied gerückt, vor allem weil mir die Verantwortlichen Signale gesendet haben, dass sie mir als Schiri den Weg in Richtung Profifußball zutrauen. Das war schon ein Schlüsselmoment!
Im Portrait von 2016 war noch die Rede vom 17-jährigen, der in der Herren-Kreisliga pfeift. Mit 20 warst du in der Landesliga angelangt, es folgten zwei Aufstiege hintereinander bis in die Regionalliga, in der du seit dieser Saison pfeifst. Eine Schiri-Laufbahn ohne Rückschläge?
Abieba: Ja, das mag schon gestimmt haben, hat mich in dieser Saison aber auch eingeholt. Mein zweites Regionalliga-Spiel in Aubstadt habe ich in den Sand gesetzt, zwar nicht spielentscheidend, aber es war eine klare Fehlentscheidung dabei. Das mit der schlechten Bewertung war ein echtes Negativerlebnis. Wenn man zum ersten Mal Gegenwind erfährt, hat man da schon zunächst daran zu knabbern, aber geht daraus dann doch gestärkt hervor.
Wo war bisher die größte Hürde auf dem Weg in die Regionalliga für dich?
Abieba: Das kann ich so gar nicht sagen, dass es da eine gab. Es lief wirklich hervorragend bisher für mich. Im ersten Bezirksliga-Jahr stand ich gut, da bekamen Ältere den Vorzug, weil man mir mehr Zeit geben wollte, was im Nachhinein aber auch absolut in Ordnung war.
Was würdest du als deine Stärken als Schiri bezeichnen?
Abieba: Sicherlich die Athletik. Ich bin topfit. Was mir positiv zurückgemeldet wird, ist die Kommunikation, die nicht von oben herab ist. Ich bin für einen Witz zu haben, kann den Gesprächston aber auch anziehen, wenn es nötig wird. Es soll aus meiner Sicht ein Miteinander und nicht ein Gegeneinander auf dem Platz sein.
Damit hast du auch im Rahmen von "Ehrensache Sportplatz" geworben. Was erhoffst du dir von der Kampagne?
Abieba: Ich wünsche mir ein angenehmes Miteinander auf dem Sportplatz. Es soll ja nicht heißen, dass wir Schiedsrichter nichts falsch machen. Ich will transparent sein und sehe auch meine Fehler ein. Als ich bei dem besagten Spiel von Aubstadt gegen Aschaffenburg danach gesehen habe, dass es eine Fehlentscheidung von mir war, bin ich direkt hin und habe mich dafür entschuldigt. Das kam gut an - war ein Wow-Effekt! Ich ärgere mich darüber ja selbst am meisten, aber Fehler gehören leider als Schiri dazu, so wie auch Spieler Fehler machen.
Am vergangenen Sonntag ist der Neulingslehrgang für Schiris in Nürnberg gestartet. Verfolgst du das Geschehen in deiner Gruppe noch genauer?
Abieba: Ich bin da mittendrin statt nur dabei! (lacht) Beim Online-Lehrgang werde ich als Referent auftreten und bin auch bei der Prüfung dabei. Ich habe auch in meiner Freizeit schon aktiv in Schulen für den Lehrgang geworben.
Wie ist dein Austausch mit anderen Schiris? Hast du davon selbst profitiert und gibst du entsprechend auch etwas weiter?
Abieba: Das ist für mich ein ganz wichtiges Thema! Ich will nie vergessen, wo ich herkomme und bin in der Gruppe sehr aktiv. Mir ist es wichtig, gerade auch jüngere Kollegen zu unterstützen. Umgekehrt war ich auch immer dankbar über den Austausch. Stellvertretend muss ich da Hermann Hempel nennen, dessen Expertise mit Lebenserfahrung und Spielmanagement mir sehr geholfen hat. Zudem ist das in Bayern neu eingeführte NLZ für Schiris auf der Verbandsliste hilfreich. Im Bezirk bin ich als Beobachter tätig. Wir haben ein Förderprogramm in Mittelfranken. Also da gibt es schon viel Austausch.
Gibt es für dich ein Vorbild als Schiri?
Abieba: Ein klassisches Vorbild gibt es für mich zwar nicht und grundsätzlich muss man sagen, dass die in den Profiligen allesamt pfeifen können! Flo Badstübner ist aber schon ein super Typ, der eine gute Mischung mitbringt. Zudem ist er extrem bodenständig, man kann sich mit ihm immer noch unkompliziert auf einen Kaffee treffen.
Aytekin, Cortus, Badstübner pfeifen aus der Region in der Bundesliga. Wie sieht deine Perspektive für den Profibereich aus?
Abieba: Als Sportler hat man natürlich das Ziel, es zu packen! In Bayern pfeife ich in der höchsten Liga, der nächste Schritt ist aber sehr schwer. Der DFB hat eine Altersgrenze für den Perspektivkader, aus dem es dann weiter nach oben gehen kann, mit einem maximalen Alter von 25, vielleicht noch 26 Jahren. Der BFV hat seine zwei, drei Schiris dafür gemeldet. Der DFB entscheidet aus dem Pool der von den Landesverbänden gemeldeten Schiris, wie es für diese Anwärter weitergeht. Solange die Plätze aus Bayern noch besetzt sind, kann der BFV auch keine neuen Kandidaten in diesen Pool werfen.
Nun bist du in deiner ersten Saison an der Pfeife in der Herren-Regionalliga. Was läuft in der höheren Liga anders?
Abieba: Man steht mehr in der Öffentlichkeit, die Spiele werden medial ganz anders begleitet. Natürlich sind auch mehr Zuschauer da, es ist ein anderer Druck, aber das sehe ich positiv! Das Beobachtersystem ist auch intensiver. Es gibt eine persönliche Abstimmung und Nachbereitung.
Über dein schlechtestes Spiel in der Regionalliga hast du ja schon selbstkritisch berichtet. Was waren deine Highlights in der Saison bislang?
Abieba: Mein erstes Regionalliga-Spiel in Hankofen ist mir in guter Erinnerung geblieben. Es war schon ein kleiner Hexenkessel und man hat die Euphorie des Vereins gespürt. Ebenfalls in Hankofen, damals gegen Pipinsried, habe ich dann auch mein bestes Spiel in der Saison gepfiffen.
Dein bestes Spiel überhaupt?
Abieba: Nein, das war aus meiner Sicht definitiv in der letzten Bayernliga-Saison: DJK Gebenbach gegen Vatanspor Aschaffenburg. Da hat alles gepasst! Das Läuferische, die Akzeptanz, Strafstoß, Karten, Tor nach Vorteilsentscheidung - als Fußballer wäre das wohl so wie ein Hattrick in zehn Minuten!
Stichwort Akzeptanz: Bei der Kampagne "Ehrensache Sportplatz" wurden als Vorbilder andere Sportarten, wie Handball oder Hockey genannt, in denen es die Diskussionen und Unsportlichkeiten auf dem Platz so nicht gibt. Würdest du dir eine strengere Linie auch im Fußball wünschen?
Abieba: Da muss man jetzt unterscheiden, wo man pfeift. Denn in Bayern gibt es diese härtere Linie gegen Unsportlichkeiten eigentlich schon länger. In der Bundesliga sind die Vereine vor drei Jahren aber auf die Barrikaden gegangen, als das eingeführt wurde. Da können sich einige sicher noch an das erste Spiel von Deniz Aytekin zwischen Schalke und Gladbach erinnern, welche Diskussionen da aufkamen. Und letztlich wurde es dann nicht mehr so streng gehandhabt. Dabei ist es eigentlich so, wie es Dieter Hecking bei der Kampagne kürzlich gut formuliert hat: Es tut am Anfang zwar weh, hat aber einen Lerneffekt. Es gibt nun mal Regeln, an die man sich zu halten hat. Deshalb nervt mich das Wort Fingerspitzengefühl - denn bei der Polizei kann man so etwas auch nicht fordern, wenn man bei Rot über die Ampel fährt!
Ist es für dich eine Umstellung, wenn du in der Junioren-Bundesliga oder Regionalliga Bayern pfeifst?
Abieba: Ja, das war in der Anfangszeit sicher so! Beispielsweise hatte ich jetzt kürzlich im Testspiel in Ansbach zweimal Gelb wegen Ballwegschlagens. Das waren da klare Entscheidungen. In der Jugend-Bundesliga habe ich in meinem ersten Spiel sieben Karten wegen solcher Unsportlichkeiten gegeben und durfte mir dann vom Beobachter Kritik anhören, weil es dort eben anders bewertet wird. Also das ist schon etwas, das es zu berücksichtigen gilt.
Und was ist dir persönlich lieber?
Abieba: Es kommt auf die Spielweise an. Aber eine klare Linie finde ich schon gut, das wird dann auch akzeptiert.
Deniz Aytekin hat sich vergangene Woche klar positioniert und plakativ gesagt, dass Schiris "nicht die Mülleimer der Nation" sind.
Abieba: Dazu kann ich nur sagen: Ich hoffe, es kommt an!
Quelle: Marco Galuska / fussballn.de
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