Annette Hanf - Eine Koryphäe an der Pfeife

Der Frauenfußball in Deutschland ist im Aufwind. Anschubhilfe leistete der Vize-Europameistertitel 2022 in England. Zumindest profitieren davon die höheren nationalen Ligen der Damen. In diesen behauptet sich seit 14 Jahren als Schiedsrichterin und Schiri-Assistentin Annette Hanf aus Ansbach, jetzt wohnhaft in Stein.

 

Samstag, 18. Juni 2022, Sportanlage in Heilsbronn, Relegationsspiel zur Kreisliga Frankenhöhe der Männer zwischen Fortuna Neuses und SV Losaurach. Das Spiel endet mit einem 5:1-Sieg für Neuses, das damit den Aufstieg in die Kreisliga schafft. In die Freude über den Erfolg mischt sich Anerkennung über die Person, die die Partie ruhig, sachlich und ohne Firlefanz über die Bühne brachte: Schiedsrichterin Annette Hanf. Auch bei den enttäuschten Spielern des SV Losaurach kommen Worte der Anerkennung über die Lippen: “So einen Schiri bräuchten wir jedes Wochenende", ist zu hören. Die wenigsten Spieler und Zuschauer wissen, dass da eine Koryphäe ihres Faches ihrem Hobby nachgeht. 2003 legte die heute 35-Jährige, damals noch unter ihrem Geburtsnamen Raith, ihre Schiedsrichterprüfung beim unvergessenen Toni Horbaschek und beim jetzigen Ehrenobmann der Schiedsrichtergruppe Frankenhöhe Süd, Willi Baßler, ab.

 

Annette Hanf und ihr Zwillingsbruder Daniel, der auch kurzzeitig der Schiedsrichterei frönte, waren schon als Kinder fußballbegeistert. Hanf machte ihre ersten Gehversuche bei der SpVgg Ansbach in der E- und D-Jugend, um dann 1998 in die Juniorinnenabteilung des SV Weinberg zu wechseln. Dort hat sie bis zur Saison 2007/2008 gespielt.

 

2007 pfiff sie ihre erste Bezirksligasaison der Männer. Ihre Premierenpartie hieß FC Stein gegen Post SV Nürnberg. Nach nur einem Jahr stieg Hanf in die Bezirksoberliga Mittelfranken auf. Diese war wieder nur eine Durchgangsstation, denn im Sommer 2009 hieß es: “Ab in die Landesliga." Zuerst war sie für den TSV Elpersdorf gemeldet, später für den SV Meinhardswinden. Diesem Aufstieg in den Herrenklassen folgte gleichzeitig der Sprung nach oben in den Frauenligen. Mit der Qualifikation Landesliga schaffte sie den Weg in die 2. Frauen-Bundesliga. 2012 leitete Hanf dann auch Spiele in der Männer-Bayernliga. Zehn weitere Jahre pfiff sie mit viel Herzblut auf diesem hohen Niveau (94 Spiele in der 2. Liga, zehn im DFB-Pokal).

 

Im Sommer 2022 zog sich Hanf freiwillig aus der Bayernliga und Frauen-Bundesliga zurück. Die Belastung wurde für die zweifache Mutter zu groß, aber als Assistentin der 1. Frauen-Bundesliga (seit 2009) und der Regionalliga Bayern (seit 2012) ist sie noch im Einsatz.

 

In Erinnerung geblieben bei der dienstältesten DFB-Schiedsrichterin sind etliche Spiele der 1. Frauen-Bundesliga. Beispiel 1. November 2021, als bei der Partie SC Freiburg - VfL Wolfsburg das Dreisam-Stadion extra für den Frauenfußball geöffnet wurde. “Ein Höhepunkt für mich war auch die Begegnung 2022 zwischen der TSG Hoffenheim und dem Double-Gewinner VfL Wolfsburg.” 7109 Zuschauer in der „Pre-Zero-Arena" in Sinsheim und 1,57 Millionen Zuschauer der ARD am frühen Samstagabend waren auch für ein erfahrenes Schiedsrichter-Gespann etwas Besonderes. Die meisten Spiele in der 1. Frauen-Bundesliga absolvierte Annette Hanf zusammen mit FIFA-Schiedsrichterin Angelika Söder (Nürnberg) und Alessa Plass (Augsburg). In der Schiriszene wurde dieses Trio “A-Team" genannt (Annette, Angelika, Alessa).

 

Warum es für Hanf nicht für den Aufstieg in die Herren-Regionalliga und den damit verbundenen Sprung in die 1. Frauen-Bundesliga reichte, ist nur schwer verständlich. Sie will es dabei belassen, dass sie zwar zweimal die Qualifikation dafür eigentlich geschafft hatte, "aber höhere Mächte" ihr den Weg nach ganz oben verbaut haben.Ob Annette Hanf eventuell in den Kreis der "Videoassistenten", in dem derzeit schon vier Frauen mitwirken, berufen wird, mag sie nicht beurteilen. Sie kann sich aber eine Teilnahme vorstellen. "Wenn das Umfeld passt, bin ich nicht abgeneigt", sagt die 35-Jährige.

 

Die Gymnasiallehrerin (Abitur am Theresien-Gymnasium Ansbach) unterrichtet an der FOS in Nürnberg die Fächer Englisch, Politik und Geschichte. Über die Akzeptanz von weiblichen Schiedsrichtern sagt sie: "Es ist heutzutage im Vergleich zu früher viel normaler als Frau zu pfeifen. Früher herrschte da Misstrauen, wenn man als Frau in den männlichen Ligen auftauchte. Anzügliche Kommentare blieben da nicht aus. Bibiana Steinhaus leistete für uns großartige Pionierarbeit." Annette Hanf wurde nur ein einziges Mal schwerwiegend von einer Person, die zwischen Sponsor, Betreuer und Berichteschreiber einzuordnen war, persönlich beleidigt. Der "Sünder" wurde sportgerichtlich belangt und damit war für Hanf die Geschichte beendet.

 

Ein großes Anliegen ist Hanf auch die Ausbildung von Nachwuchsreferees. Von 2018 bis 2022 fungierte sie als Lehrwartin ihrer Schiedsrichtergruppe Frankenhöhe Süd. Seit Sommer 2022 gehört sie dem Kompetenzteam des Verbandsschiedsrichterausschusses an. Ihr Aufgabengebiet umfasst dabei unter anderem die Aus- und Weiterbildung für qualifizierte Schiedsrichter, Onlinekurse für neue Unparteiische, Überarbeitung des Regelwerks in Zusammenarbeit mit dem DFB oder Videoschulung. Diese Lehrarbeit kann vom heimischen PC aus erledigt werden - eine große Erleichterung für Annette Hanf. Aufgrund der Nichtberücksichtigung für die 1. Bundesliga der Frauen blieb ihr Weg nach oben zwar unvollendet, dennoch legte sie eine exzellente Karriere als Schiedsrichterin hin.

 

Autor: Harald Riegler / Fränkische Landeszeitung

Foto: Martin Rügner

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