Mit „Sportplatz-Etikette“ gegen den rauen Ton

Man könnte meinen, Bayern sei für Fußball-Schiedsrichter eine Insel der Seligen. Der Berliner Fußball-Verband hat jetzt eine Sportpsychologin angestellt, die Unparteiische betreut, die auf den Plätzen attackiert werden. Acht bis zehn Fälle habe sie - pro Woche, erzählt der bayerische Verbands-Schiedsrichterobmann Sven Laumer. In Bayern seien in einer ganzen Saison 20 Schiris tätlich angegriffen werden, 68 Spiele mussten abgebrochen worden - von 250.000. „Aber das ist nur die Spitze des Eisbergs“, sagt der 40-jährige Wirtschaftsinformatik-Professor vor mehr als 100 Unparteiischen der Gruppe Chiem bei deren monatlichem Lehrabend. „Der Ton wird rauer.“ An den meisten Schiedsrichtern geht das nicht spurlos vorüber.

 

Und das ist nach Laumers Ansicht auch der Hauptgrund, warum die Zahl der Unparteiischen auch im Freistaat zurückgeht. Pfiffen im Jahr 2000 in Bayern noch mehr als 13.000, waren es Anfang 2023 gerade noch 9972. „Inzwischen dürften es nochmal 100 oder 200 weniger sein“, stellt der oberste Schiedsrichter-Funktionär ernüchtert fest. „Das ist ein krasser Rückgang.“ Vereine der C-Klasse im Kreis Inn/Salzach, aber auch viele Jugendmannschaften müssen deshalb auf neutrale Schiedsrichter verzichten.

 

Erst kürzlich habe er einem Reporter entschieden widersprochen, der meinte, ein Schiedsrichter müsse doch damit rechnen, auf dem Sportplatz beleidigt zu werden, berichtet Laumer. Die Profis seien sich ihrer Vorbildwirkung nicht bewusst, die Fernsehbilder aus der Bundesliga färbten ab auf die Amateur-Sportplätze. „Die Ordner kriegen das mit - und tun nichts“, klagt einer der aktiven Schiedsrichter im Saal. Dabei hänge doch fast an jedem Eingang ein Blechschild mit der Mahnung, wer den Schiedsrichter beleidige, müsse „mit dem Verweis vom Sportplatz rechnen“. Im Fußball stürmten Spieler, Trainer und Zuschauer auf den Schiedsrichter ein, in anderen Sportarten wie Eishockey oder Handball sei der Respekt viel größer.

 

In Nürnberg haben sich Vereine, Funktionäre und Schiedsrichter im Winter zusammengesetzt und gemeinsam eine „Sportplatz-Etikette“ entworfen. Sieben Punkte, wie Spieler sich verhalten sollten, aber auch sieben Punkte, was von den Männern und Frauen an der Pfeife zu erwarten ist. „Das wirkt“, sagt Laumer. „Der Ton ist in der Rückrunde schon besser geworden.“

 

Laumer hat bis 2018 selbst Spiele bis zur Bayernliga geleitet, dann war er als Lehrwart für die Schiri-Aus- und Weiterbildung zuständig. Die Online-Neulingskurse, die der Bayerische Fußball-Verband (BFV) seit der Corona-Zeit anbietet, sieht er skeptisch. Viele meldeten sich zwar an, doch die Prüfung absolvierten deutlich weniger, und auf dem Platz stehe dann nur ein Bruchteil.

 

Ein Thema, das den Schiedsrichter-Schwund beschleunigt habe, sei endlich gelöst, sagt Laumer. Von der nächsten Saison an gibt es mehr Geld: In der Regionalliga 250 statt 200 Euro, in der Kreisliga 50 statt 30 und in den B- und C-Klassen 40 statt 25 Euro. Die Vereine sähen das sogar positiv. Und die Altersgrenze, die auch in Bayern viele Unparteiische mit 47 Jahren zum „Zwangsabstieg“ zwang, ist wie in der Bundesliga abgeschafft. „Letztlich kommt es doch auf die Leistung an“, sagt der Schiri-Chef. Doch für die Funktionäre macht es die Sache nicht leichter - schließlich sollen die „Alten“ dem hoffnungsvollen Nachwuchs nicht den Platz wegnehmen.

 

Text/Foto: Alexander Hübner

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